therapeutische tattoos
oder
tattoo als ritual
Die Motive sich ein Tattoo stechen zu lassen sind sicherlich so vielfältig wie die Menschen selbst.
Im Folgenden würde ich gerne ein paar davon thematisieren, die sich im Laufe der Jahre gezeigt haben.
Denn nicht immer ist der reine Gedanke an ein Tattoo als Körperschmuck im Vordergrund.
Vielleicht könnte man sogar wagen zu sagen das ein jedes Tattoo in irgendeiner Weise therapeutisch ist oder wirken kann, denn die Idee, der erste Gedanke an ein Tattoo birgt schon zumindestens einen Funken von Hoffnungen, Ängsten oder Ähnlichem in sich, wenn man sich das Motiv in Zusammenhang mit dem Menschen und seiner Geschichte ansieht.
Dem bloßem Betrachter erschliesst sich das sicher nicht auf dem ersten Blick aber ich bin bei meiner Arbeit,dem Vorgespräch und der Wirkung nach Vollendung des Tattoos so nah dran, das mir öfters dieser Gedanke kommt ob ich nicht vielmehr anbiete als ein reines Bild bzw. Tattoo.
Kann man einen therapeutischen Nutzen messen? Nein,sicher nicht.
Ist die Überschrift zu hoch gegriffen?Vielleicht.Am Ende kann das nur der Mensch selbst beurteilen und Auskunft darüber geben.Wenn Sie Ihre Erfahrungen darüber teilen mögen steht das Gästebuch auch hierfür bereit.
Dennoch ist allein die Frage so interessant, das ich mich ihr widmen möchte.
Dies könnte für diejenigen weiterführend sein,die ihre eigenen Motive noch überprüfen, sich ein Tattoo für immer auf der Haut verewigen zu lassen.
Im Grunde könnte man das Thema auch auf meine verkauften Bilder und deren Käufer ausweiten, denn für beides gilt sicher die gleiche Grundlage.
Im Unterschied zu einem Gemälde ist eine Tätowierung aber etwas,was im wahrsten Worte unter die Haut geht und soll somit das Hauptthema sein.
Was am häufigsten vorkommt ist, das ein Mensch aufgrund einer lebensverändernden Situation auf den Gedanken kommt ein Zeichen zu setzen.
Das kann eine Diagnose, eine bereits bewältigte Erkrankung, ein einschneidendes Erlebnis, ein Unfall oder eine andere Verletzung sein.Ebenso kann ein Tattoo als Mahnmal stehen, etwas bereits gelerntes nicht wieder aus den Augen zu verlieren, so daß es in Vergessenheit gerät.
Auf dem folgenden Bild ist ein Beispiel eines Tattoos von einem Menschen zu sehen, der sich aufgrund einer Krebserkrankung eine sogenannte Krebsschleife hat verewigen lassen.
Dies allerdings mit farbenfrohen japanischen Motiven personalisiert als Miniaturtattoo.
Ein weiteres Beispiel ist eine Übertätowierung von Narben im unteren Foto zu sehen.
Narben können in der Regel nach zwei Jahren Abheilzeit übertätowiert werden.
Bei genauer Betrachtung kann man die Narben noch erkennen, das liegt dran, das die Hautbeschaffenheit von Narbengewebe anders ist als von heiler Haut.
Das heisst, Narben lassen sich sehr gut abdecken und kaschieren aber zumindest der Träger des Tattoos selbst kann die nun tätowierten Narben unter dem Tattoo nach wie vor sehen.
Das ist wichtig zu erwähnen um keine falschen Hoffnungen zu wecken sondern eine realistische Alternative anzubieten.
Sollten die Narben allerdings erhaben oder gerötet sein, ist im Zweifelsfall vorerst der Weg zum Dermatologen zwingend angezeigt.
Ein nun folgendes Beispiel eines Tattoos mit therapeutischen Effektes ist ohne Foto anzuführen, da es auch Lebensgeschichten gibt, die schlicht zu persönlich und von mir zu schützen sind.
Ein Kunde kam zu einem längeren Beratungsgespräch und eröffnete mir einen Teil seiner Geschichte, die ihn sehr geprägt hat.
Mir ist die intime und persönliche Atmosphäre sehr wichtig, damit der Kunde bzw. in diesem Falle der Mensch sich überhaupt öffnen kann ohne das mit weiteren Zuschauern oder Störungen zu rechnen ist.
Dieser Kunde litt jahrelang unter starken Psychosen indem ihn eine junge Frau verfolgte. Er beschrieb mir diese Frau bis ins kleinste Detail denn ein Bild gab es natürlich nicht von ihr.
Anhand seiner exakten Beschreibung fertigte ich ein Bild an welches er als erschreckend treffend befand.
Dieses tätowierte ich ihm weil er sie somit bannen wollte indem wir ihr ein Gesicht gaben. Das ist sicherlich nicht so einfach zu verstehen, auch ich sprach länger mit ihm, ob er das wirklich wolle. Vielleicht kann man es als umgekehrte Psychologie benennen.
Er hat es als heilend empfunden und somit ein weiteres Beispiel seinen inneren Intuitionen zu folgen, denn wer heilt hat bekanntlich recht.
So ist festzustellen das es viele aussergewöhnliche und berührende Lebensinhalte gibt und ich bin sehr interessiert und dankbar, das diese mit mir geteilt werden.
Die abschliessende Frage ob Tattoos einen therapeutischen Zweck oder als heilend empfunden werden können würde ich persönlich mit einem eindeutigen Ja beantworten.
Vielleicht trifft es der Begriff Ritual aber noch besser. Ein Ritus der zum Zweck der Heilung abgehalten wird.Heilung setzt Verletzung voraus.
In der heutigen Zeit sicher ein nicht mehr so ganz gängiges Bild, wenn wir jedoch in die Antike schauen oder in Naturvölker geht zum Beispiel ein Initiationsritus immer mit einer bewusst herbeigeführten Verletzung einher, um die Haut als Grenze zur Welt zu öffnen.
Die Gletschermumie Ötzi beispielsweise trug besondere Tattoos von denen Forscher sagen sie seien zum Zwecke der Heilung entstanden.
Auch ein Schutzsymbol als Tattoo zur Bannung des "Bösen" erfreuen sich auch heute noch grosser Beliebtheit.
Bleibt es am Ende eine Glaubensfrage? Das kann nur jeder für sich ganz persönlich beantworten aber wenn es so sein sollte ist es nicht das schlechteste Motiv für ein Tattoo denn der Glaube versetzt bekanntlich Berge.